Von Leonie Pfaller, Roberta Schmid, and McKenzie Sadeghi | Veröffentlicht am 23. Januar 2025
Ein Netzwerk von 102 KI-generierten deutschsprachigen Webseiten, die offenbar mit dem flüchtigen US-Amerikaner und mittlerweile zum Kreml-Propagandisten gewordenen John Mark Dougan in Verbindung stehen, verbreitet im Vorfeld der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar 2025 Desinformationen und pro-russische Narrative. Das ergab eine gemeinsame Recherche von NewsGuard und der gemeinnützigen investigativen Nachrichtenredaktion Correctiv.
Die Aktivitäten des Netzwerkes begannen im Juli 2024 mit der Registrierung der ersten Webseite. Doch es wurde erheblich ausgeweitet, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz am 6. November 2024 den Bruch der deutschen Regierungskoalition bekannt gab, und damit vorzeitige Neuwahlen einleitete.
Ähnlich wie bei Dougans inzwischen stillgelegten US-amerikanischen Netzwerk von 171 Webseiten imitieren die deutschen Domains authentische lokale und überregionale Nachrichtenmedien. Einige tragen sogar die Namen historischer, inzwischen eingestellter Regionalzeitungen wie „Berliner Tageblatt“ und „Hamburger Anzeiger“. Das Netzwerk, das erstmals von Correctiv identifiziert wurde und über das bisher noch nicht berichtet wurde, umfasst insgesamt 102 Webseiten.
Weitere Informationen über Dougan und sein bisheriges Vorgehen in den USA finden Sie in diesem Bericht von NewsGuard, der Anfang des Monats veröffentlicht wurde.
NewsGuard hat im Zuge der Recherche nicht nur festgestellt, dass das Netzwerk spaltende Narrative veröffentlicht, sondern auch drei Falschbehauptungen entdeckt, die sich über Dougans Seiten hinaus verbreitet haben (mehr dazu unten). Das Netzwerk scheint darauf vorbereitet zu sein, weitere Desinformationen und polarisierende Narrative zu streuen, je näher die Wahl rückt. Diese ist für Russlands geopolitische Strategie von Bedeutung, da eine deutsche Regierung, die der NATO und der Ukraine weniger nahe steht und der europäischen Integration skeptischer begegnet, für Moskau von Vorteil wäre.
In diesem Sinne fördert das Dougan-Netzwerk populistische und euroskeptische Stimmen und veröffentlicht Inhalte, die die Alternative für Deutschland (AfD) unterstützen, eine Partei, die für ihren nationalistischen und EU-kritischen Kurs bekannt ist. Gleichzeitig werden regelmäßig Parteien wie die Grünen ins Visier genommen, deren Positionen zur Energieunabhängigkeit von russischen fossilen Brennstoffen und zur Unterstützung der Ukraine und der NATO den russischen Interessen zuwiderlaufen.
Bereits bevor das Netzwerk bekannt wurde, warnte Claudia Plattner, Präsidentin des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), vor ausländischer Wahlbeeinflussung. „Natürlich gibt es Kräfte innerhalb und außerhalb, die ein Interesse daran haben, einen Wahlprozess zu attackieren und eine demokratische Ordnung zu stören“, sagte sie im November 2024 bei der Vorstellung des BSI-Jahresberichts.
Auf die Frage nach dem Netzwerk deutscher Nachrichtenwebseiten und seinen angeblichen Verbindungen zu Russland antwortete Dougan in einer Nachricht an NewsGuard vom 21. Januar 2025 via Signal: “Ich bin weder mit dem GRU noch mit einer anderen russischen Regierungsbehörde verbunden, werde nicht von ihnen bezahlt, arbeite nicht für sie und erhalte auch sonst kein Geld von ihnen. Das ist alles erfunden. Tatsächlich finde ich die russische Regierung ziemlich nutzlos für alles, ein Haufen idiotischer Bürokraten, die nie etwas zustande bringen. Ich weiß also nicht, warum jeder denkt, ich arbeite für sie: Tue ich nicht. Und ich hätte auch nicht die Geduld dafür.“
Trotzdem haben NewsGuard, die Washington Post, CNN, CBS News und andere berichtet, dass Dougan Teil einer russischen Operation zur Beeinflussung der Wählerschaft ist, die von Microsoft “Storm-1516” genannt wurde und offenbar ein Ableger der inzwischen aufgelösten russischen Trollfabrik Internet Research Agency ist. Die Washington Post berichtete unter Berufung auf europäische Geheimdienstdokumente, dass Dougan vom GRU, dem russischen Militärgeheimdienst, bezahlt und angewiesen wird.
Die Washington Post stellte fest, dass der GRU einen speziellen KI-Server finanzierte, der von Valery Korovin, Dougans mutmaßlichem Chef und Leiter des in Moskau ansässigen Instituts Center for Geopolitical Expertise, koordiniert und von Dougan verwaltet wird. Dieses Arrangement wurde später in einer Pressemitteilung des US-Finanzministeriums vom 31. Dezember 2024 bestätigt, die Sanktionen gegen Korovin und das Center for Geopolitical Expertise ankündigte. Das Finanzministerium beschuldigte sie, „versucht zu haben, die US-Wahlen 2024 zu beeinflussen“ und „einen Server zu bauen, der generative KI-Tools und damit verbundene KI-erstellte Inhalte hostet“. Diese Tools nutzt Dougan offenbar auch für die deutsche Kampagne.